Der Seelsorger

In der Wochenendbeilage der Salzburger Nachrichten wird das Thema von katholischen Priestern aufgegriffen, die in einer Beziehung leben.

Mein Onkel Josef Dürnberger, Dechant in St. Johann im Pongau, hat sich 2001 für seine Familie entschieden.

Schmidt Zabierow Hütte, Loferer Steinberger

Priester ohne Amt

04.01.2014

Die Phantomschmerzen bleiben. Als Pfarrer Josef Dürnberger sich zu seiner Frau und seinem Kind bekennt, muss er sein Amt zurücklegen. Anja Pia Eichinger

Seine Vaterschaft verkündete Josef Dürnberger über das Radio. Dort wurde er gefragt, warum er denn als Priester von St. Johann die Gemeinde verlassen würde, und er antwortete: „Weil ich Vater werde.“ Damit war die Katze aus dem Sack. Und damit gab es auch kein Zurück mehr. Das war im Jahr 2001. 19 Jahre lang war er da schon mit seiner Sylvie ein Paar. Kennengelernt haben sie sich in der Pfarre St. Erhard im Nonntal, wo er als Kaplan tätig und sie eine der engagierten Pfarrhelferinnen war. Gemeinsam zogen sie dann nach Bürmoos und später nach St. Johann.

In beiden Gemeinden schlug ihnen immer viel Wohlwollen entgegen. „Seien wir doch ehrlich, die Kirche wäre um vieles ärmer, wenn es keine Priester in Partnerschaften gäbe“, sagt Sylvie Dürnberger. Dadurch würden sie menschlicher, weicher – und normaler, und das werde von den Menschen geschätzt. Immer wieder hätten sie vom Pfarrer geschwärmt: „Mit dem kann man so normal reden!“

Als Sylvie mit 44 Jahren überraschend schwanger wurde, änderte sich alles. Die ganze Tragweite war ihnen allerdings zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar. Das Paar zieht wieder nach Salzburg, es gibt Gespräche mit der Obrigkeit, man ist ehrlich – auf beiden Seiten – und schließlich steht fest: In der Seelsorge darf Josef Dürnberger nicht mehr tätig sein. Nicht in der Krankenhausseelsorge (bei der viele verheiratete Priester sind), nicht einmal in der Telefonseelsorge. Selbst als Religionslehrer kann er in der eigenen Diözese nicht mehr arbeiten.

Stattdessen wird ihm ein Job in der Kirchenbeitragstelle angeboten. Er lehnt ab, denn er hat noch Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch etwas anderes auftut. Etwas, das näher an seinem früheren Leben, an seiner Berufung dran ist. Denn die Seelsorge, das war 30 Jahre lang beides für ihn: Leben und Berufung. Ohne sie sein zu müssen, das schmerzt. Er fühlt sich wie abgeschnitten. Aber die Kirchenführung bleibt hart.

Den zweiten Job, der ihm bei der Kirchenbeitragstelle angeboten wird, nimmt er an. Er muss schließlich jetzt eine Familie ernähren. Er lernt mit dem Computer umzugehen, legt die Sacharbeiterprüfung ab, arbeitet zehn Jahre lang in einem netten Team und ist inzwischen seit einem Jahr in Pension. Pfarrer ist er geblieben. Ein Pfarrer ohne Amt. Vom Herrn Pfarrer wurde er zum Herrn Magister. Selbst seine Frau brauchte lang, bis sie am Telefon nicht mehr sagte: „Der Herr Pfarrer kommt erst in einer Stunde wieder.“

Und wenn sie ihn heute auf der Straße ruft, kann es leicht sein, dass er auf: „Josef!“ und „Sepp!“ nicht reagiert. Ruft sie aber: „Herr Pfarrer!“, dreht er sich sofort um.

Bis heute träumen sie beide von der Vergangenheit. Ähnliche Träume. Dass er sein Priestergewand nicht finden kann. Oder das Buch, aus dem er in der Messe lesen möchte. Bis heute ertappt sich Sylvie dabei, dass sie sich bei Texten denkt: „Das ist ein schöner Text, den könnte der Sepp für die Predigt verwenden.“

Was wäre passiert, hätte er sich nicht öffentlich zu Frau und Kind bekannt? Dann hätte die Kirche es wahrscheinlich auf ihre Art geregelt. Es ist bekannt, dass die Diözese einspringt, um Alimente und Unterhalt zu zahlen. Und dass das gar nicht so selten vorkommt. Wahrscheinlich hätte er sogar ein relativ offenes Doppelleben führen können. Abendmesse mit der Gemeinde und danach Abendessen mit der Familie. Offen, aber eben nicht offiziell. Es gebe – auch in Salzburg – einige Priester, die so lebten, sagt er. Aber das wäre nicht das Leben gewesen, das er hätte leben wollen.

Wenige Monate nach der Geburt ihres Sohnes heiraten Josef und Sylvie. Standesamtlich und kirchlich. Viele Leute gratulieren. Selbst die frömmsten unter ihnen wünschen alles Gute. Erzbischof Eder hat ihnen bereits zur Geburt einen entzückenden Brief geschickt, in dem er das neue Leben willkommen heißt. Er setzt sich dafür ein, dass „der Dürnberger nicht wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wird“. Aber als der Erzbischof erkrankt, wird dann doch hart durchgegriffen. „Vielleicht darf es nicht zu leicht gehen, sonst würden es noch mehr machen“, mutmaßt Sylvie Dürnberger. Aber wäre die Energie, die gebraucht wird, um sie in solche Regeln zu stecken, nicht besser in der Seelsorge aufgehoben?

Verbittert ist Josef Dürnberger nicht, aber die „riesig große Traurigkeit“ wird wohl bleiben. Trotzdem „muss und will“ er versöhnt leben. Damit seine Seele nicht krank wird und das Leben ein gutes bleibt.

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