Die eisernen Helfer

Sonntag 31. August, 9 Uhr. Treffpunkt Bahnhof Zell am See für 85 Rettungs- und Notfallsanitäter. Der Iron Man ruft. In die hier aufgestellten Zelte des Roten Kreuzes wird einige Stunden später auch der Sieger des Triathlons gebracht. Der hart Wettkampf hat seinen Tribut gefordert. Mehr als eine Stunde braucht der Belgier, um sich von den Strapazen des Bewerbs zu erholen.

Es ist der größte Einsatz des Jahres für die Bezirksstelle Pinzgau und er wurde akribisch vorbereitet. Viele Mitarbeiter waren schon öfter bei solchen Ereignissen dabei, für manche ist es eine neue Erfahrung. Max Schönfeld hat sich freiwillig für diesen Einsatz gemeldet. Der Salzburger ist seit 2012 beim Roten Kreuz und macht gern Ambulanzdienst. Er ist heute einer der wenigen Nicht-Pinzgauer der Gruppe, der seine Freizeit dafür opfert, verletzte Athleten zu versorgen.

Ernst Hagn ist ein alter, im Sinne von erfahrener, Hase beim Roten Kreuz. Nach vielen Jahren als Abteilungskommandant und als Stellvertreter des Bezirkskommandanten, sind solche Großveranstaltungen Routine für ihn.

Diesem Duo bin ich heute zugeteilt, und gespannt, was uns erwartet.

Wir erhalten unseren Jausenvorrat für den Tag. Da es kein vegetarische Version gibt, spende ich meine Wurstsemmeln meinen Teamkollegen.  Auch Infoblätter über den Iron Man in mehreren Sprachen drückt man uns in die Hand. Für genervte Autofahrer und hilflose Touristen. Damit wir nicht in unnötige Diskussionen verwickelt werden. Wir sind ja zum retten da, und nicht für Auskünfte zuständig. Werden aber im Laufe des Tages  oft gefragt, ob es hier denn nirgends durchgeht, bis wann die Sperre dauert …

Der Trupp macht sich auf nach Schüttdorf, zum Start des Schwimmbewerbs. Das ist Sache der Wasserrettung, hier sind wir vorerst selber noch Zuschauer. Beeindruckendes Schauspiel, wenn die Schwimmer gleichzeitig loslegen. „Sie stürzen sich in die Fluten des Sees“, ist eine beliebte Phrase, die auch in den Medien gern verwendet wird. Weniger blumig ausgedrückt: sie stehen im Wasser und warten auf das Startsignal.  Bei dem Gedränge, das dann entsteht, wundere ich mich, dass es nicht die ersten Verletzten gibt. Einige Sportler berichten hinterher, dass hier gern gefoult wird. Ist wohl nicht wie Fußball. Sieht keiner und ahndet niemand.

Als die ersten Schwimmer aus dem Wasser steigen, machen wir uns auf Richtung Maximarkt in Bruck. Eingeteilt werden wir von der Mobilen Kommandozentrale, die alle 25 Wagen, die zwei Motorräder und sechs Fahrräder unter Kontrolle hat. Bernd Hirschbichler, Stefan Herbst und Toni Voithofer sitzen hier quasi an den Schalthebeln der Macht. Oder besser gesagt:  der Verantwortung. Sie dirigieren die Fahrer zu ihren Einsatzorten, müssen genau einschätzen können, wer wann wo gebraucht wird und am schnellsten dort sein kann.

Mit einer Leiter der Feuerwehr können die Kollegen den Patienten erreichen. Sie sind schon bald mit einer großen Herausforderung konfrontiert. Wir hören über Funk an unserem Standort in Bruck, dass ein Radfahrer bei Dienten in ein Bachbett gestürzt ist.

Ruhig und konzentriert kommen aus der Zentrale die Fragen nach dem genauen Standort, ob der Verletzte ansprechbar ist, und vor allem, ob der Zugang zu ihm möglich ist.

Wie sich herausstellt, wird das eine schwierige Bergung. Die Unfallstelle befindet sich nach einer eher steilen Abfahrt in einer scharfen engen Kurve. Das Bachbett liegt einige Meter unterhalb der Straße, es gibt nur eine steile felsige Böschung. Sanitäter und Notarzt steigen mit einer Leiter der Feuerwehr zu dem verletzten Radfahrer hinunter. Er kann schließlich mit einer Trage hochgehievt werden und wird mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen.

So ein aufwändiger Einsatz erfordert eine sorgfältige Planung. Schließlich gibt es während dieser schwierigen Bergeaktion laufend zahlreiche weitere Einsätze. Auch wir werden in der Zwischenzeit nach Dienten beordert. Das ist schwieriger, als ich mir vorgestellt habe, schließlich gilt es auf der ansteigenden schmalen Straße die in großen Gruppen fahrenden Radler zu überholen. Ich sitze ziemlich angespannt neben unserem Chaffeur und frage mich, wie er unter diesen Umständen die Ruhe bewahrt. „Alles Routine“, sagt der Ernst, hochkonzentriert. „Man darf nur nicht hudeln, muss bedächtig handeln“. Mit Blaulicht fahren wir sowieso, aber mit dem Folgetonhorn ist er vorsichtig, damit die Radler nicht erschrecken.

Die haben wahrscheinlich wenig Freude mit uns, als wir am steilen Filzensattel mühsam versuchen, an ihnen vorbeizukommen, aber ich hoffe, dass den Sportlern bewusst ist, dass wir ja zu ihrem Besten im Einsatz sind. Am Wegrand immer mehr Fahrer mit geplatzten Reifen in den Händen. Der Ärger über das Pech ist ihnen anzusehen.

Inzwischen wird das Wetter immer bedrohlicher, es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis das Gewitter losbricht. Wir suchen den zu befördernden Patienten auf Kilometer 23,6. Unsere Kollege am Motorrad ist bei ihm. Sieht nach einer bösen Verletzung an der Schulter aus, zu schnell bergab unterwegs. Der Abdruck der Leitplanke ist gut sichtbar. Übrigens, diese von uns versorgten Personen habe ich nicht fotografiert. Alle jene, die auf Blut-und-Action-Fotos hoffen muss ich also enttäuschen. Ich bitte euch, eure Fantasie zu bemühen. Kann sich bestimmt jeder vorstellen, wie man in dieser Situation ausschaut.

Das Rad wird stehen gelassen und muss von den Veranstaltern abgeholt werden. Der Patient wird ins nächste Behandlungszelt nach Hinterthal gebracht, wo der Arzt feststellt, dass er ins Krankenhaus muss. Einen weiteren Patienten nehmen wir auch noch mit. Inzwischen schüttet es in vollen Strömen. Gut dass viele Fahrer bereits wieder am Weg nach Zell am See sind, denn unter diesen Bedingungen ist die Strecke erbarmungslos. Nass, kalt und rutschig. Viele Athleten müssen jetzt wegen Unterkühlung aufgeben. Auch wir werden angehalten und gebeten, einen unterkühlten Fahrer mitzunehmen. Wir können keinen dritten Patienten mehr befördern, aber Kollegen sind bereits unterwegs.  Während meine Partner die Pechvögel in der Ambulanz im KH Zell/See abliefern, schaue ich im Headquarter vorbei.DSC02043-001

Der erste Weg führt mich in die Küche. Bin ich schon so erschöpft, dass ich fantasiere, oder steht dort tatsächlich George Clooney an der Nespressomaschine? Bei näherem Hinsehen erkenne ich Kurt Reiter, den Katastrophenreferent der Bezirkshauptmannschaft. In der neuen Bezirksleitstelle hinter dem Krankenhaus findet heute nämlich eine Premiere statt. Vertreter von der BH, Feuerwehr, Polizei und Rotem Kreuz sitzen gemeinsam an einem Tisch und koordinieren den Einsatz. „Das hat sich bestens bewährt“, freut sich Bezirksgeschäftsführer Stefan Herbst. „Wir haben auch erstmals ein Live-Video vom Polizeihubschrauber mitverfolgen können, das war sehr hilfreich“. Ich halte die Herrn aber lieber nicht länger auf, denn im Stabsraum herrscht hektische Betriebsamkeit.

Im Ziel! Wir drei Musketiere erhalten nun den Auftrag, zum Behandlungszelt am Bahnhof zu fahren. Direkt daneben befindet sich das Ziel, wo bereits die ersten Athleten eingetroffen sind.

Viele von ihnen müssen vom Roten Kreuz in Empfang genommen werden. Im Zelt werden ihre Krämpfe und Erschöpfungszustände behandelt.

Zeitweise schwirrt es hier wie in einem Bienenstock und alle sechs Notbetten sind belegt. Es sind auch Fälle da, die es nicht ins Ziel geschafft haben und kurz vorher aufgeben mussten.  Hier braucht es nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch ein bissl psychologischen Zuspruch. Aber was sagt man jemand, der sich über fast 113 Kilometer gequält hat und dann den Erfolg nicht auskosten kann?

2015 sehen wir uns wieder!

 

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