Lustig ist das Flüchtlingsleben
In Saalfelden werden 80 Flüchtlinge im Gymnasium untergebracht, und schon laufen die Tastaturen wieder einmal heiß vor Empörung!
Was Flüchtlinge in den Augen der Wut-, Hass- und Angstschreiber alles nicht dürfen:
- gute Laune haben und lachen
- ein Handy besitzen
- ohne ihre Familien flüchten
- passable Kleidung tragen
- nicht unterernährt ausschauen
- das gilt auch für zuwenig müde, traumatisiert und elend wirken
- auf keinen Fall, niemals, auch nicht unter den widrigsten Umständen, die „Gast“-Geber kritisieren
- sich über das Essen beschweren, selbst wenn es der fetteste Schweinsbraten oder das trockenste Brot sind
- Rechte einfordern ist ein absolutes Tabu!
Denn – oberstes Gebot – ein Flüchtling hat dankbar und devot zu sein, muss zerlumpt ausschauen und im Idealfall ständig mit den Tränen kämpfen. Abgesehen davon, dass der perfekte Flüchtling seine Heimat und seine Familie nicht im Stich lässt.
Bei meinem Lokalaugenschein haben die 80 Männer, die hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kommen, gegen fast all diese „Regeln“ verstoßen. Die Meisten von Ihnen haben seit Tagen und Wochen in Traiskirchen im Freien geschlafen. Nein, es hat sich keiner darüber beschwert, dass man sie so behandelt, aber sie haben geschildert, wie das ist, wenn man weder bei der größten Hitze, noch dem ärgsten Regenwetter einen Platz hat um sich zu verkriechen. Wie das ist, wenn man in Busse geladen wird, wenn es besonders schlimm ist, und dort „schlafen“ soll.
Die Freude über das schöne Internat, und endlich ein richtiges Bett zu haben, hat allen aus den Augen geleuchtet. Ja, sie waren gut gelaunt und haben gelacht. Sie waren erleichtert, nach den katastrophalen Zuständen in Traiskirchen endlich eine Unterkunft zu haben, die diesen Namen verdient. Der Durchschnitts-Wutposter geht zwar davon aus, dass ein Flüchtling generell über alles dankbar sein soll, und sei es nur, dass man ihn nicht sofort einsperrt oder an der Grenze verjagt, aber leider sind das eben auch nur schwache Erdlinge, so wie wir alle, und schätzen zumindest ein bisschen Komfort. Eine Matratze und ein Dach über dem Kopf mag ein Luxus sein, aber darüber haben sich die Leute gestern riesig gefreut. Sie sind erleichtert, auch wenn jeder Zweite wissen will, ob sie nun nicht mehr nach Traiskirchen zurückgeschickt würden …
Die guten Neuigkeiten werden natürlich per Handy sofort an die Familien weitergegeben. Ja, stellt euch vor, so wie es auch in Krimml schon eine Weile Strom gibt, haben die auch in den hintersten Tälern von Afghanistan schon Mobiltelefon und Satschüsseln. (Es soll ja tatsächlich alteingesessene Einheimische geben, die hartnäckig der Meinung sind, die Flüchtlinge würden bei ihrer Ankunft Smartphones bekommen. Von unseren Steuergeldern finanziert. Sorry Leute, aber ich hab‘ keinen getroffen, der das bestätigt hätte. Manche hatten keins, weil es auf der Flucht verloren ging, aber niemand hat in Österreich eins bekommen). Wie sonst könnten sie mit Familienmitgliedern in Kontakt bleiben, die ebenfalls auf der Flucht sind! Frauen und Kinder, die zum Großteil in der Türkei und im Libanon gestrandet sind. Das ist natürlich besonders verwerflich, sie dort alleine zurückzulassen, und ihnen die Reise über das Mittelmeer nicht zuzumuten. Aber ist halt eine andere Kultur. Nicht jeder ist schließlich so zivilisiert wie wir und hält sich an das Motto „Frauen und Kinder zuerst“…
Aber jetzt kommt erst das Schlimmste! Man möchte also meinen, dass diese Leute nach der Behandlung, die ihnen in Österreich bisher geboten wurde, doch zermürbt und erschöpft wären. Aber kaum bringen die Betreuer vom Roten Kreuz Fußbälle daher, kommt Leben in die müden Gestalten. So schlimm kann die Flucht also nicht gewesen sein, wenn die plötzlich mit voller Elan und Begeisterung Fußball spielen! Großteils barfuß übrigens.
Es wird aber nicht nur gekickt, die kurzzeitigen Bewohner des Internats sind auch begeistert über das große Schachspiel vor dem Gebäude. (Achtung, wer sich jetzt darüber wundert, dass die vermeintlich rückständigen Flüchtlinge die Regeln des Schach kennen. Der Name kommt vom persischen Shah. Die Urform des Schachspiels stammt vermutlich aus Nordindien, über Persien breitete es sich durch die Islamische Expansion auch nach Europa aus. Tut mir leid, aber wir Herrenmenschen haben es nicht erfunden.).
Nach anfänglichen Team-Runden kristallisieren sich schnell zwei Experten heraus. Mohammed aus Syrien spielt mittelmässig, aber Rohulla aus Afghanistan ist ein echter Profi. Eine verbale Verständigung ist nicht möglich, da Rohulla im Gegensatz zu Mohammed kein Englisch spricht, aber die beiden spielen ein Match nach dem anderen.
Sie sind „happy“. Das Leben hinter ihnen in Trümmern, das Leben vor ihnen völlig ungewiss. Aber hier und heute in Saalfelden haben sie ein Bett, Essen und Ablenkung.
Und vorerst sprechen sie noch kein Deutsch, um die ablehnenden Meinungen über ihre Ankunft verstehen zu können…
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