„Das nächste Mal komm‘ ich mit Downsyndrom zur Welt“
Im Gespräch mit einem Lebenskünstler:
Name: Alex Dick
Geb.: 1977, in Zell am See
Schulbildung: Allgemeine Sonderschule St. Anton, Bruck
Beruf: Werkstätte Lebenshilfe seit 1997, Mitglied der Theatergruppe Blaue Hunde seit 2001
Ich bin: Künstler, Exzentriker, Kriegsgegner, Schauspieler
Sternzeichen: Jungfrau
Lieblingsspeise: Schnitzel, Pommes
Musik: Abba, Michael Jackson
Hobbys: Geschichte, Schifahren
Idol: James Bond
Besondere Begabung: Sprachtalent
Besondere Merkmale: autistische Züge
Seit kurzem Preisträger des Ohrenschmaus-Literaturpreises.
Auf der Bühne des Lebens kann er sich nur schwer behaupten, aber auf den Brettern, die die Welt bedeuten, beeindruckt Alex Dick mit seinen besonderen Talenten. Gemeinsam mit seinem Freund Stefan Wartbichler spielt er seit 2001 beim Ensemble der Blauen Hunde, dem Theater der Lebenshilfe Salzburg. Ab Februar 2015 werden beide in der neuen Produktion „Die Schneekönigin“ zu sehen sein, die in Leogang aufgeführt wird. Fernsehen spielt im Leben des Künstlers aber eine ebenso wichtige Rolle wie das Theater. Er ist leidenschaftlicher Fan von Comic Helden wie Batman, Ironman, X-Men, aber auch richtige Actionhelden sind gefragt. Dazu meint Alex ironisch: „Ein echter Kerl schaut nun mal Schwarzeneggerfilme“. Vor allem seien sie leichter zu spielen als Comicfiguren. Alex kreiert eigene Fantasiestücke, seine Paraderolle ist ein österreichischer James Bond, Geheimagent Erich Römer. Seine eigentliche Stärke sind Sketche, die er auch spontan ins Gespräch einfließen lässt. Kanzler Faymann und Niki Lauda werden gekonnt parodiert und Otto nachgemacht. Er träumt von einer eigenen Show im Fernsehen oder auf der Bühne, ist aber realistisch genug zu erkennen, dass die Umsetzung dieses Zieles schwierig ist.
„Mein Talent geht in der Marktwirtschaft unter“, sagt er, plötzlich ernst geworden. Er versucht sein Dasein als Klient der Lebenshilfe zu akzeptieren, hätte sich aber andere Möglichkeiten gewünscht und würde gern ein selbständigeres Leben führen. „Ein behinderter Mensch hat sich sein Leben nicht ausgesucht“ appelliert er um Verständnis. Alex setzt sich für die Anliegen von Behinderten ein, hat sich auch schon öffentlich zu Wort gemeldet. „Inklusion schreitet voran. Sie hat ihre Stolperfallen, aber wir brauchen gleiche Rechte und Pflichten“, ist er überzeugt. Er weiß jedoch zu schätzen, dass er bei der Lebenshilfe seine Kreativität ausleben kann. Nicht nur als Schauspieler, er ist auch handwerklich sehr geschickt und daher bei der Holzgruppe gut aufgehoben. Auch wenn er es nicht nicht gern wahrhaben will, scheint ihm bewusst, dass er draußen keine Chance hätte und thematisiert das auch in seinen Texten.
Der Ohrenschmaus Literaturpreis ist ein Förderpreis für Menschen mit Lernschwierigkeiten, der heuer zum 8. Mal vergeben wurde. Aus 170 Einsendungen wählte eine Jury um Schirmherr Felix Mitterer die Gewinner im Wiener Museums Quartier. Darunter der Pinzgauer Alex Dick, ein würdiger Preisträger , wie die folgenden Auszüge aus seinen beeindruckenden Texten zeigen:
Theatermenschen
Ich bin am 11.Sept. 77 geboren, im Sternbild des Terrorismus, 5 Tage vorher wurde Schleyer entführt, Hans Martin, ABBA war auf Welttournee, Elvis ist gestorben, beim Fall der Berliner Mauer war ich in Bruck/Fusch, da wollten die Trabis auf den Großglockner, ein tschechischer Reisebus ist in die Schlucht gestürzt, nimm die Angst mit herein, wie der Schleyer, tausend Gedanken müssten durch den Kopf gehen, er zerstört die Seele.
Es gibt Theatermenschen, es gibt Filmmenschen, das sind Menschen die sich in den Dienst des Theaters, des Films stellen, es gibt Menschen mit Behinderung, die sich in den Dienst der Behinderung stellen. , es gibt Lebensmenschen, die sich in den Dienst eines anderen Lebens stellen.
Warum kommen die Leute? Wollen sie Behinderte schauen? Wie sie abgerichtet werden. Wie sie Königin sein wollen. Ich bin eigentlich ein Kunsthandwerker, 300 Herzen aus Holz ausschneiden. Du musst aufpassen, dass du uns nicht zu Marionetten machst. Ich möchte auf der Bühne mein Leben abkoppeln. Es soll nicht an mein Leben erinnern.
Muss man permanent der sein, der man ist. Oder darf man jemand anderer sein. Ich möchte anderen Figuren Raum geben. Ich möchte nicht die Lebenshilfe-Geschichte erzählen. Das arme Alex-Burli. Es geht um Größeres als um den Alex Dick. Mir geht es gut in der Lebenshilfe. Ich darf am nächsten Tag zu später kommen wenn ich am Abend Theater spiele. Das kann ich in keinem anderen Job. Wir müssen auch arbeiten. Ich wollte einfach eine Geschichte erzählen. Ich habe meine Geschichte erzählt, dem neuen Zivildiener, aber dann hat er gesagt, ich muss arbeiten.
Menschen mit und ohne
Schöne Frau. Bist du eine Praktikantin oder bist du eine Klientin. Heutzutage kennt man sie nicht mehr auseinander. Heut schaun die Zivis aus wie die Klienten. Außer die mit Downsyndrom, die kennt man. Ich muss das wissen. Weil mit einer Praktikantin fang ich mir nichts an. Die sind mir eine Nummer zu groß. Die könnt schon einen Freund haben. Wenn Sie einen Tag Praktikum machen bei uns, dann sind Sie fertig. Wenn Sie eine Klientin ist, dann gefällt sie mir nicht. Wenn sie mir gefällt, dann ist sie eine Praktikantin. Ich fang mir nur mit Klientinnen was an.
Sie sind eine Praktikantin, nicht, oder haben Sie eine Behinderung, die man nicht sieht. Wenn mich einer privat sieht, käm er nicht auf die Idee, dass ich bei der Lebenshilfe bin, eine mentale Behinderung habe. Ich spürs förmlich, wie ihre Gehirnwindungen rauchen, was hat der für Behinderung. Aber ein paar Experten sitzen hier. Die wissen das. Das tätens gerns wissen. Aber ich sags ihnen nicht. Ich rede nicht gerne darüber.
Das nächste Mal komm ich mit Downsyndrom auf die Welt.
Alle Texte siehe: http://ohrenschmaus.net/texte/texte-2014/
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